
Aufnahme von 67P/Tschurjumow-Gerassimenko vom 3. August 2014. Sie zeigt den Kometen aus einer Entfernung von 285 Kilometern mit einer Auflösung von 5,3 Meter pro Pixel. (Klicken Sie HIER, um zu einer vergrößerten Darstellung zu gelangen.) | Copyright: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team
Darmstadt (Deutschland) - Nach einer mehr als zehnjährigen Reise durchs All ist es der ESA-Sonde "Rosetta" gestern als erstem Raumfahrzeug überhaupt gelungen, sich einem Kometen zu nähern. "Dieses historische Ereignis", so die europäische Raumfahrtagentur, "läutet ein neues Zeitalter in der Exploration des Sonnensystems ein" und liefert zugleich die bislang deutlichsten und faszinierenden Nahaufnahmen eines Kometen überhaupt.
Derzeit befinden sich der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko und die Rosetta-Sonde 405 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, etwa auf halbem Weg zwischen den Umlaufbahnen des Jupiter und des Mars und rasen mit einer Geschwindigkeit von fasst 55.000 km/h auf das Innere des Sonnensystems zu.
Der Komet selbst beschreibt eine elliptische 6,5 Jahre währende Umlaufbahn um die Sonne und geht dabei an seinem sonnenfernsten Punkt bis über Jupiter hinaus, während er an seinem sonnennächsten wieder zwischen die Umlaufbahnen von Mars und Erde zurückkehrt. Mehr als ein Jahr lang wird "Rosetta" den Kometen von nun an auf seinem Vorbeiflug um die Sonne und jenseits des Jupiter begleiten.
Weitere Aufnahme des Kometen vom 3. August. (Klicken Sie auf die Bildmitte, um zu einer vergrößerten Darstellung zu gelangen.) | Copyright: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team
"Kometen werden als die ursprünglichen Bausteine des Sonnensystems betrachtet und haben wahrscheinlich dazu beigetragen, die Erde mit Wasser und vielleicht sogar den Grundbausteinen des Lebens zu versorgen", erläutert die ESA-Pressemitteilung. "Diese rätselhaften Himmelskörper werfen jedoch noch viele grundlegende Fragen auf. Dank der umfassenden, am Objekt vorzunehmenden Studie des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko soll Rosetta diese Geheimnisse lüften."
Gestern absolvierte "Rosetta" das letzte von zehn im Mai begonnenen Annäherungsmanövern, bei denen Geschwindigkeit und Flugbahn der Sonde allmählich denen des Kometen angepasst wurden. Wäre eines dieser Manöver fehlgeschlagen, wäre die Mission gescheitert und Rosetta an dem Kometen einfach vorbeigeflogen. "Der heutige Erfolg ist das Ergebnis eines gewaltigen internationalen Unterfangens, das sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt hat“, erklärt Alvaro Giménez, ESA-Direktor für Wissenschaft und robotische Exploration. "Wir haben einen unwahrscheinlich weiten Weg zurückgelegt, seit das Missionskonzept in den späten 70er Jahren zum ersten Mal erörtert und dann 1993 genehmigt wurde. Jetzt endlich ist es soweit, dass wir diese Schatzkiste an wissenschaftlichen Erkenntnissen öffnen können, die dazu führen werden, dass die Lehrbücher über Kometen noch die nächsten Jahrzehnte neu verfasst werden müssen."
Schon während des Anflugs von Rosetta begann der Komet, nach und nach seine Persönlichkeit zu enthüllen: "Von der OSIRIS-Kamera zwischen Ende April und Anfang Juni aufgenommene Bilder zeigten, dass seine Aktivität schwankte. Die Kometenkoma - eine ausgedehnte Hülle aus Gas und Staub - wurde im Laufe dieser sechswöchigen Beobachtung zunächst rasch heller und erstarb dann wieder.
Zur gleichen Zeit durch das Mikrowelleninstrument des Rosetta-Orbiters, MIRO, vorgenommene erste Messungen deuteten darauf hin, dass der Komet rund 300 ml Wasserdampf pro Sekunde an den Weltraum abgibt.

Überblendete Aufnahme des Kometenkerns lässt die Koma des Schweifsterns erkennbar werden. | Copyright: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA
Inzwischen hat VIRTIS, das Abbildungsspektrometer für den UV-, sichtbaren und nahen Infrarotbereich, als Durchschnittstemperatur des Kometen -70 °C gemessen, was darauf schließen lässt, dass seine Oberfläche zu großen Teilen dunkel und staubig, und nicht etwa vollständig mit blankem Eis bedeckt ist, wie zunächst angenommen."
Schon die aus einer Entfernung von rund 12.000 km aufgenommene spektakuläre Bilder zeigten, dass der Kometenkern aus zwei durch ein Art "Nacken" verbundenen Teilen besteht, was ihm ein entenähnliches Aussehen verleiht. Nachfolgende Aufnahmen enthüllten dann weitere Details (...wir berichteten).
Schon die ersten deutlichen Ansichten des Kometen haben eine Menge Fragen aufgeworfen“, kommentiert Matt Taylor, Projektwissenschaftler der ESA.
"Sind hier ursprünglich zwei Kometen irgendwann in der Geschichte des Sonnensystems zusammengewachsen, oder handelt es sich bei dieser zweilappigen Struktur um einen einzigen Kometen, den die Zeit einer dramatischen und asymmetrischen Erosion unterworfen hat? Rosetta ist da im wahrsten Sinne des Wortes am besten platziert, um dieses einzigartige Gebilde zu untersuchen."
Die bislang hochauflösendsten Nahaufnahme von der Kometenoberfläche. Erstellt wurde sie am 6. August 2014 aus 130-120 Kilometern Entfernung. Sie zeigen eine Vielzahl von Merkmalen wie eine glatte Ebene, Felsen, Krater und steile Klippen. (Klicken Sie auf die Bildmitte, um zu einer vergrößerten Darstellung zu gelangen.) | Copyright: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA
Inzwischen ist Rosetta nur noch 100 km von der Oberfläche des Kometen entfernt, wird sich ihm in den nächsten sechs Wochen aber über zwei Dreiecksbahnen, zunächst in 100 km und dann in 50 km Entfernung, weiter annähern.
Andere auf der Sonde mitgeführte Instrumente werden detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen des Kometen vornehmen und auf seiner Oberfläche einen geeigneten Landeplatz für das Landegerät Philae ausmachen. Schließlich wird Rosetta versuchen, auf einen nahezu kreisförmigen Orbit in nur 30 km Entfernung zu gelangen, bzw. sich sogar, wenn die Kometenaktivität dies gestattet, noch mehr anzunähern.
Animation: Mögliche Landestellen auf Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko
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"Die Ankunft beim Kometen ist eigentlich erst der Anfang eines noch viel größeren Abenteuers, bei dem mit jedem Schritt neue Herausforderungen auf uns zukommen werden, wenn es daran geht, uns in dieser bislang nicht kartografierten Umgebung zurechtzufinden, auf eine Umlaufbahn um den Kometen einzuschwenken und schließlich auf seiner Oberfläche zu landen", erklärt der Rosetta-Flugbetriebsleiter der ESA, Sylvain Lodiot in Darmstadt.
Bis Ende August sollen nun fünf mögliche Landeplätze ermittelt und Mitte September dann die bevorzugte Stelle ausgewählt werden. Der genaue Zeitpunkt für das Absetzen von Philae, das gegenwärtig für den 11. November geplant ist, soll bis Mitte Oktober bestätigt werden.
"Neben der Charakterisierung des Kometenkerns und der Festlegung der Ziele für die anschließende Missionsphase werden wir uns in den nächsten Monaten auf eine weitere Premiere in der Geschichte der Raumfahrt vorbereiten - die Landung auf einem Kometen", freut sich Matt Taylor.
"Nach der Landung wird Rosetta den Kometen, der im August 2015 seine sonnennächste Position erreichen wird, weiter begleiten und ihn aus allernächster Nähe beobachten, um uns einzigartige Einblicke zu liefern und uns zeitnah daran teilnehmen zu lassen, wie sich ein um die Sonne rasender Komet verhält."
grenzwissenschaft-aktuell.de
Quelle: ESA, DLR
Quelle: ESA, DLR