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GreWi-Spezial: Was bringt der Sonnensturm?

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Sonneneruption der Stärke X1,6 am 10 September 2014, hier als extrem heller Blitz im ultravioletten Lichtspektrum sichtbar. (Vergrößern HIER) | Copyright/Quelle: NASA/SDO

Saarbrücken (Deutschland) - Während Sie diesen Text lesen, treffen die ersten Ausläufer zweier Sonnenstürme auf unsere Erde, die am 9. September von einer von einer mittelschweren und am Tag darauf von einer starken Sonneneruption der Stärke X1,6 aus der aktiven Sonnenfleckenregion AR2158 als sogenannte koronale Massenauswürfe (KMA) in Richtung Erde geschleudert wurden (...wir berichteten). Wie wirkt sich ein solcher Sonnensturm auf uns Menschen aus und welche Konsequenzen kann er auf unsere technischen Netzwerke haben?

Biologische Auswirkungen eines Sonnensturms auf das Leben auf der Erdoberfläche

Durch die Erdatmosphäre und das planetare Magnetfeld ist unser Planet und das Leben darauf eigentlich vor den Auswirkungen eines Sonnensturms gut geschützt. Während das irdische Magnetfeld die von diesem Sonnensturm mitgeführten geladenen Teilchen in einen großen Abstand von bis zu zehn Erdradien (rund 70.000 Kilometer) um die Erde herum- und sozusagen abführt, bietet die Atmosphäre zusätzlichen Schutz für die Oberfläche.


Auswirkungen eines Sonnensturms auf Piloten, Astronauten und Flugverkehr

Allerdings nimmt dieser Schutz mit zunehmender Höhe und schwächerer Atmosphäre ab. Menschen, die sich also etwa in Flugzeugen, Raketen oder Raumstationen wie der ISS befinden, die in rund 400 Kilometern Höhe die Erde an der Grenze zum Weltraum umkreist, sind also durchaus einer stärkeren Strahlungsbelastung ausgesetzt.



Archiv: Der russische Kosmonaut Sergei Rjasanski bei einem Außeneinsatz an der ISS- | Copyright: NASA

Außeneinsätze, sogenannte Weltraumspaziergänge, können während eines die Erde treffenden Sonnensturms lebensgefährlich sein. Menschen außerhalb der Atmosphäre und des Erdmagnetfeldes - etwa auf zukünftigen Weltraummissionen zum Mond, zum Mars oder zu Asteroiden - wären nicht mehr durch das System Erde geschützt und benötigen eigens Konzipierte Abschirm- und Schutzsysteme.



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Während Flugzeuge aufgrund der rund 11.000 Metern Flughöhe normalerweise auch noch ausreichend vor der erhöhten Strahlung geschützt sind, ist dieser Schutz etwa über den Polregionen schon spürbar schwächer. Da zudem hier während eines Sonnensturms auch mit stärkeren Beeinträchtigungen von Funk und Navigationssignalen gerechnet werden muss, sollten derartige Flugrouten während eines aktiv sich auswirkenden Sonnensturms gemieden werden.

Auswirkungen auf technische Geräte

Die eigentliche Gefahr eines schweren Sonnensturms liegt also weniger in seinen direkten Auswirkungen auf uns Menschen und das Leben auf der Erdoberfläche sondern darin, wie er sich auf technische Geräte und Netzwerke auswirkt. Hatten also selbst schwere Sonnenstürme also in der vortechnisierten Zeit nur geringe Auswirkungen und den schön anzuschauenden Nebeneffekt starker Polarlichtaktivität (s. unten), so stellt ein schwerer, die Erde treffender Sonnensturm durchaus eine große Gefahr für unsere technologisierte und von den modernen Technologien nahezu gänzlich abhängende Zivilisation dar.

Viele dieser Auswirkungen und Zusammenhänge sind uns meist überhaupt nicht bewusst.


Satelliten und Weltraumobservatorien

Durch die hochenergetisieten Partikel, die der Sonnensturm mit sich führt, kann es während eines solchen Sturms zu Beeinträchtigungen und Beschädigungen der Sensorik, Technik, Soft- und Hardware (bspw. Solarpanele) an Bord von die Erde umkreisenden Satelliten kommen. Da diese die unterschiedlichsten Funktionen übernehmen - vom Weltraumobservatorium bis hin zur Navigation und Kommunikation - können solche Beeinträchtigungen gravierende Auswirkungen auf die von diesen Technologien abhängigen Systeme und Abläufe haben.

Da sich während eines wirkenden Sonnensturms auch die äußersten Schichten der Erdatmosphäre aufwärmen, dehnt diese sich aus und kann so auch die Umlaufbahnen einiger Satelliten und Sonden erreichen, wodurch diese sozusagen einen ungewollten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre erfahren und im besten Fall abgebremst werden und nachgesteuert werden müssen.



Grafische Darstellung der GPS-Satelliten. | Copyright: NOAA

GPS-Navigation

Neben direkten Auswirkungen auf die Satelliten selbst werden die oberen Atmosphärenschichten in 100 bis 150 Kilometern Höhe stärker als normal ionisiert. Dadurch werden die Signale der GPS-Satelliten auf ihrem Weg zur Erdoberfläche und somit zu den unterschiedlichen Empfangsgeräten verzögert, wodurch es zu Fehlermittlungen der jeweiligen Positionen kommen kann. Die möglichen Auswirkungen dieser Verzögerungen sind vielfältig und von den jeweils von diesen System abhängigen Abläufen abhängig.

Strom- und Energienetzwerke

Durch die während eines Sonnensturms eintretende Verformung des Erdmagnetfeldes, können besonders starke Sonnenstürme auch auf der Erdoberfläche zu Feldstärken von mehren Volt pro Kilometer führen. Da gerade Überlandleitungen große Strecken überbrücken, können solche im Vergleich zu einem Blitzschlag noch vergleichsweise geringen Feldstärken hohe Spannungen aufbauen und während dessen starke elektrische Ströme fließen. Auf diese Weise können unter anderem die für die Übertragung und Umwandlung notwendigen Transformatoren beschädigt und zerstört werden. Kommt es in Folge solcher Ausfälle dann zu Kettenreaktionen der großteils weitflächig vernetzten Stromleitungen (wie etwa im sog. Europäischen Verbundsystem), kann dies um Ausfall, einem sogenannten Blackout, großer Teile des Stromnetzwerks kommen.


Grafische Übersicht der europäischen Verbundsysteme. | Quelle: ElectricityUCTE

Zwar können Transformatoren in der Regel ausgetauscht und repariert werden, doch liegt das Problem auch hier im Detail, wenn auch die Reparaturen von für uns eigentlich normal gewordenen Abläufen und Technologien abhängen, die vom Sonnensturm betroffen und geschädigt werden können. Denken Sie einmal alleine alle Konsequenzen durch, die ein Stromausfall für Ihren Alltag und den Betrieb ihres eigenen Haushalts haben würde...


In einer 132-seitigen Studie von 2009 beschreibt die NASA ausführlich, wie unsere moderne und hochtechnologisierte Welt von einem schweren erdgerichteten Sonnensturm beeinflusst werden könnte, sollte sich dieser mit der maximal zu erwartenden Kraft auswirken.


Auch die Experten der NASA sehen die Hauptgefahr, die von den solaren Stürmen ausginge, in der Gefahr für die irdischen Energieversorgungsnetzwerke, von denen wiederum ein Großteil der Infrastrukturen unseres täglichen Lebens abhängt. So könnten elektrische Streuströme das Kupfer in Trafowicklungen von Stromverteilerstationen zum Schmelzen bringen, zumal die Überlandleitungen wie weitläufige Antennen wirken und die Ströme über weite Gebiete verteilen können.



Die Sonne am 10./11. September 2014. | Copyright: NASA

Die bislang gravierendste Auswirkungen eines Sonnensturms auf das irdische Energienetz wurden 1859 - als alle Telegraphen-Verbindungen durchbrannten - und 1989 in Kanada registriert, als mehr als sechs Millionen Menschen für mehr als neun Stunden ohne Strom waren. Durch die weitläufige Verknüpfung unterschiedlicher lokaler und internationaler Stromleitungsnetzwerke, sei das heutige Energieverteilungssystem so störungsgefährdet wie nie zuvor. Somit, so der Bericht, ist eine weitflächige Kettenreaktion derzeit mehr als wahrscheinlich.


Die Experten schätzen, dass alleine in den USA rund 130 Millionen Menschen von einem derartigen Stromausfall betroffen sein könnten. Doch der Verlust des elektrischen Stroms aus der Steckdose sei nur der Anfang - hätte er doch auch gravierende Auswirkungen auf alle davon abhängigen infrastrukturellen Einrichtungen:


So wären die unter anderem die Wasseraufbereitung, Radio-, TV- und Kommunikationsnetzwerke, Satelliten, das GPS-System sowie die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Medikamenten, Heizwärme, Kühlkälte, Kraftstoffen und die Abwasserentsorgung betroffen. Die übergreifenden Abhängigkeitsverhältnisse der einzelnen Faktoren würden es hinzu erschweren, die Stromversorgung wieder in Gang zu bringen, wenn es etwa unmöglich wäre, Generatoren ohne Wasser wieder in Gang zu bringen. (...wir berichteten)


Polarlichter

Während also von einem schweren Sonnensturm durchaus große Gefahren ausgehen können, sorgt die Plasmawolke, wenn sie auf das Magnetfeld der Erde trifft, zugleich aber auch für eines der faszinierendsten und schönsten Phänomene am Himmel: Polarlichter.

Diese Entstehen, wenn durch die Verformung des Erdmagnetfeldes elektrische Spannungen in der Atmosphäre induziert werden, sowie durch elektrische geladene Teilchen in der sogenannten Magnetosphäre - jenem Gebiet also, das vom Erdmagnetfeld geprägt wird. Hier werden die Teilchen des Sonnensturms beschleunigt und können parallel zu den Feldlinien des irdischen Magnetfeldes tiefer in die Erdatmosphäre eindringen, wo sie auf das dichtere Atmosphärengas stoßen und hierbei - wie in einer Leuchtstoffröhre - Gasteilchen zum Leuchten anregen.



Energetisches Nordlicht über Finnland. | Copyright: JensPaulus.com

Während Polarlichter (Nord- und Südlicht bzw. Aurora borealis und Aurora australis), wie der Name schon sagt, überwiegend über den Polargebieten und den nördlichen Breitengraden auftreten, können durch die starke Verformung des Erdmagnetfeldes diese Lichter auch mit zunehmender Stärke auch Richtung Äquator wandern und dann auch in mittleren bis hin zu südlichen Regionen beobachtet werden.


Weltraummeteorologen erwarten, dass in Folge des aktuellen Sonnensturms Polarlichter schon in der kommenden Nacht (Freitag auf Samstag) bis nach Mitteldeutschland hinunter und möglicherweise sogar darüber hinaus sichtbar werden könnten.


Für Polarlichtfreunde in Mitteleuropa gilt, dass es eine Stärke geomagnetischer Stürme vom mindestens 5 auf der sogenannten Kp-Index-Skala benötigt, die die Stärke der Magnetfeldschwankungen anzeigt. Ab diesem Wert sind Polarlichtsichtungen etwa über Norddeutschland möglich. Je höher der Kp-Index steigt, desto höher wird auch die Wahrscheinlichkeit, Polarlichter auch in Mittel- und Süddeutschland beobachten zu können. Normalerweise ist dies ab Kp-Werten von über 6 möglich und bei einem Kp-Wert von 9 sogar wahrscheinlich. Derzeit liegt der Kp-Wert noch bei 4. Den jeweils aktuellen Kp-Wert (Planetary K-index) finden Sie u.a. HIER


Eine weitere Grundvoraussetzung für die Beobachtung der aktuell vorhergesagten Nordlichter ist natürlich auch ein möglichst wolkenloser Nachthimmel. Leider sieht es diesbezüglich jedoch für weite Teile Deutschlands nicht wirklich gut aus. Lediglich in Nordwestdeutschland und sogar im Saarland "könnte" man Glück haben. Aber auch in anderen Landesteilen sollte man zumindest nach möglichen Wolkenlöchern Ausschau halten, um nicht vielleicht doch noch etwas zu verpassen.



Wahrscheinlichkeit eines klaren Himmels bei Ankunft des Sonnensturms . Quelle: facebook.com/WetterFuerHagen

Tatsächlich wurden aber auch schon am heutigen frühen Morgen Nordlichter u.a. von Kiel aus fotografiert. Für das Auge sichtbar waren diese Lichter jedoch kaum, sondern konnten nur durch mit speziellen Kameraeinstellungen abgebildet und sichtbar gemacht werden. Im Online-Forum der AKM e.V. tauschen sich derzeit Polarlichtfreunde über den aktuellen Stand und aktuelle Sichtungen, sowie geeigneten Beobachtungsstandpunkte aus.

Aufruf der GreWi-Redaktion
Wir suchen die besten aktuellen Polarlicht-Fotos der GreWi-Leser (so welche zu sehen sein werden), um diese dann auf GreWi zu zeigen. Mailen Sie Ihre Aufnahmen (mit Angabe zur gewünschten Copyright-Nennung) einfach an: redaktion@grenzwissenschaft-aktuell.de
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Sonnensturm: NASA-Studie über soziale und ökonomische Auswirkungen einer Super-Sonneneruption23. Januar 2009


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Quellen: NASA, mpg.de, sonnen-sturm.info

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