Quantcast
Channel: grenz|wissenschaft-aktuell
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1530

SETI im Gefangenendilemma: Suche nach außerirdischer Intelligenz aus Sicht der Spieltheorie

$
0
0
Klosterneunburg (Österreich) - Auf der Suche nach außerirdischer Intelligenz (Search for ExtraTerrestrial Intelligence, SETI) setzten einige Forscher auch auf gezielt ins All gesendete Botschaften, die auf unsere eigenen Existenz hinweisen sollen (Messaging to ExtraTerrestrial Intelligences, METI). Andere Forscher warnen jedoch zugleich vor dieser Methode und raten, die Menschheit sollte sich so unauffällig wie möglich verhalten, um nicht eine uns überlegene und zugleich feindlich eingestellte Zivilisation auf uns aufmerksam zu machen. Ein österreichischer Wissenschaftler hat sich der Problematik nun mit Hilfe des sogenannten Gefangenendilemmas angenommen.

Während sich die Suche nach außerirdischer Intelligenz bislang vornehmlich auf das Lauschen nach fremden Signalen (SETI) konzentriert hat, wurden bislang nur vergleichsweise wenige direkte und koordinierte METI-Versuche unternommen, die zudem immer wieder schwere Kritik über sich ergehen lassen mussten (...wir berichteten, s. Links). Doch schon hier offenbart sich ein Problem für den interstellaren Kontakt: Würden alle außerirdischen Rassen so denken wie die METI-Kritiker und darauf bedacht sein, ihre elektromagnetischen Signale ins All so gering und unkenntlich wie möglich zu halten, so wäre auch für uns hier auf der Erde der Nachweis, bzw. die Entdeckung dieser eine ferne Zivilisation verratenden Signale sehr schwierig.

Die 1974 mit dem Radioteleskop in Arecibo ins All gesendete SETI-Botschaft (Erl. s. u.*). | Copyright: grenzwissenschaft-aktuell.de(Diagramm)

Um die potentiellen Gewinne und Verluste der unterschiedlichen Strategien (pro und contra METI) gegeneinander abzuwiegen, hat sich Harold P. de Vladar vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) dem sogenannten Gefangenendilemma und damit einem zentralen Bestandteil der Spieltheorie angenommen.

Bei der Situation des "Gefangenendilemmas" handelt es sich um ein Spiel mit zwei Spielern. Im namensgebenden veranschaulichenden sozialen Beispiel waren dies zwei räumlich von einander getrennte Untersuchungshäftlinge. Diese wurden vor die Wahl gestellt, entweder zu leugnen oder zu gestehen. Für den Einzelnen ist es am sichersten zu gestehen, beidseitiges Leugnen aber verspricht das beste Gesamtergebnis.

In der allgemeinen Theorie haben beide "Spieler" die Möglichkeit zusammenzuarbeiten, um eine hohe Auszahlung zu erzielen, oder können sich für eine geringere Auszahlung gegenseitig verraten. Beide Spieler müssen dabei ihre Strategie ohne Kenntnis der Wahl des jeweils anderen Spielers festlegen (dies geschieht automatisch, wenn sie es gleichzeitig tun). Es ist daher möglich, dass ein Spieler das Gegenteil von dem tut, was der andere macht. In diesem Fall profitiert nur der Spieler, der den anderen verrät, und dieser profitiert dann besonders stark. Des Weiteren kennen beide Spieler die eigenen Strategiemöglichkeiten und die des anderen Spielers und die jeweils dazugehörigen Auszahlungen für beide Spieler.


www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ + + HIER können sie unseren täglichen Newsletter bestellen + + +
 

Seine mathematische Anwendung des Gefangenendilemmas auf die Suche nach außerirdischer Intelligenz hat de Vladar aktuell im "International Journal of Astrobiology" (IJA) veröffentlicht.

Das Ergebnis ist eine Reihe unterschiedlicher optimaler Sende-Strategien mit jeweils folgenschweren Konsequenzen für SETI. Grundsätzlich stützen die Ergebnisse die Forderung nach einem Paradigmenwechsel bei der Suche nach intelligenten Außerirdischen und erfordern eine systematische aktive Suche.

Für de Vladar ist das SETI/METI-Dilemma ähnlich jedoch umgekehrt gelagert wie das des Gefangenendilemmas: Während das gemeinsame Schweigen für die beiden Gefangenen das beste Ergebnis erzielt, sei es im Falle der Suche nach der jeweils "außerirdischen" Intelligenz das gemeinsame Aussenden "kosmischer Visitenkarten" in Form von Signalen (METI), das beste Ergebnis für beide Seiten verspreche. Eine schweigende und nur auf die fremden Signale hoffende Zivilisation, entspreche hingegen dem seinen Mitgefangenen verpfeifenden Gefangenen.

"Wenn alle Zivilisationen sich also entschließen zu schweigen und nicht zu senden, so setzt sich die große Stille (the great silence) fort", so de Vladar. "Wenn wir allerdings die Kosten einer möglichen Ausnutzung unserer Kultur und Zivilisation durch eine fremde Zivilisation zu hoch einschätzen, so legt dies nahe, dass es ebenso unprofitabel ist (Botschaften) zu senden, als dies nicht zu tun, da auf diese Weise so oder so Verluste entstehen. Sollte dies tatsächlich unsere Annahme sein, so wäre es absolut gerechtfertigt, sämtliche SETI-Bemühungen umgehend einzustellen, da wir sowieso nicht von einer positiven Antwort ausgehen."

Eine erstaunliche Erkenntnis aus den unterschiedlichen Berechnungen des Szenarios sei es, dass je höher der Nutzen eines Nachweises der Entdeckung einer fremden Zivilisation eingeschätzt wird, desto niedriger sei die notwendige Anzahl an Übertragungen. Die Möglichkeit, die Anzahl der Übertragungen so gering wie möglich zu halten, gehe wiederum mit geringeren Eigenkosten einher, da der Aufbau entsprechender Sendeanlagen weltweit kostspielig sei und viele Übertragungen zudem die Risiken, etwa in Form eines interstellaren Krieges, erhöhten.

Die derzeit praktizierte "mixed strategy", in der sowohl SETI- als auch einige METI-Bemühungen durchgeführt werden, sieht de Vladar als die anhand der Berechnungen empfehlenswerteste Strategie.


*Erläuterung zur obigen Abbildung:
Diese "Binäre Visitenkarte der Menschheit" wurde 1974 vom Radioteleskop in Arecibo ins All gesendet. Sie enthält Angaben über unser dezimales Zahlensystem (s. A); die Atomordnungszahlen der Basiselemente des irdischen Lebens (B); den Doppelhelix-Aufbau der irdischen DNA (C und E); die menschliche Physiognomie (F); unsere durchschnittliche Körpergröße von 176 cm; die damalige menschliche Population von rund 4,3 Milliarden; das die Botschaft sendende Planetensystem und den Ursprungsplaneten (J) sowie zur Sendeeinrichtung (K) und deren Größe von 350 Metern (L)

 

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Buchneuerscheinung: "Außerirdische - Das große Tabu unseres Zeitalters" 25. August 2012
METI - Forscher fordern neues Protokoll für Botschaften an Außerirdische 2. Februar 2011
SETI-Chefastronom: "Warnungen vor Kontakt mit Aliens sind Paranoia"
6. Juli 2010
Ehemaliger Verteidigungsminister kritisiert Hawkings Alien-Warnung
5. Mai 2010Stephen Hawking erneuert Warnung vor Alien-Kontakt
26. April 2010
Was passiert, wenn E.T. antwortet? Das offizielle SETI-Protokoll21. November 2007
SETI-Astronomen beraten über Protokoll für Kontakt mit Außerirdischen
28. Oktober 2007


Bücher zum Thema:

- - -

grenzwissenschaft-aktuell.de
Quelle: newsientist.com, IJA doi:10.1017/S1473550412000407

Viewing all articles
Browse latest Browse all 1530