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Dysanästhesie: Mediziner vermuten dritten Bewusstseinszustand

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Archivbild: Chirurgische Operation. | Copyright: United States Navy, Public Domain

Dublin (Irland) - Obwohl unter Vollnarkose, so zeigen einige Patienten immer wieder während Operationen Anzeichen von Bewusstsein oder wachen sogar aus dem narkotisierten Zustand gänzlich auf. Jetzt vermuten britische Mediziner, dass es neben wach bzw. bewusst und unbewusst auch einen dritten Bewusstseinszustand geben könnte, in dem wir weder richtig wach aber auch nicht vollständig bewusstlos sind.

Wie Jaideep Pandit vom St. Johns College und Dr. Ian F. Russell vom Hull-Royal-Infirmary-Krankenhaus aktuell auf dem "Annual Congress of the Association of Anaesthetists of Great Britain and Ireland" berichteten, basiert die Schlussfolgerung auf einer aktuelle Studie an 34 Patienten, die während einer Operation eigentlich unter Vollnarkose standen und deren ganzer Körper - mit Ausnahme des Unterarms - auf diese Weise paralysiert war.


Auf diese Weise waren diese Patienten also zumindest theoretisch in der Lage, durch Bewegungen ihrer Finger auf Anfragen und Befehle zu reagieren oder auch eventuelle Schmerzen während der Operation anzuzeigen.


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Ein Drittel der Patienten, so berichten die Mediziner aktuell auch im Fachjournal "Anaesthesia" (DOI: 10.1111/anae.12361) hätte während der Operation auf Anfrage hin den Finger bewegt, obwohl sie sich eigentlich unter korrekt angewandter und ablaufender Vollnarkose befanden.

"Noch beachtlicher ist aber die Tatsache, dass die Patienten ihre Finger ausschließlich nur dann bewegten, wenn sie dazu aufgefordert wurden", berichtet Pandit. "Keiner der Patienten reagierte auf spontane Reize durch die Operation selbst. Das bedeutet, dass die Patienten also wahrscheinlich keine Schmerzen hatten."


Normalerweise werden Patienten während der ganzen Operation von Ärzten und Anästhesisten überwacht, um so sicher zu stellen, dass auch die richtige Dosis an Medikamenten verabreicht wurde, damit der Patient während der Operation unbewusst bleibt und so auch keine Schmerzen erleidet.


Dennoch existiert eine Kontroverse darüber, wie vertrauenswürdig die eingesetzten Technologien und Methoden zur Bestimmung des Bewusstseinszustandes tatsächlich sein können. "Wir verfügen schließlich über kein Modell des Bewusstseins", kommentiert Pandit. "Es ist also auch sehr schwer, eine entsprechende Beobachtungstechnologie zu entwickeln."


Die Vorstellung von einem dritten Bewusstseinszustand, den Russel und Pandit als "Dysanästhesie" bezeichnen, könnte nun die in der Studie beobachteten Reaktionen der Patienten erklären. Schon zuvor hatten gezielte Befragungen gezeigt, dass etwa einer von 500 Patienten sich an einen Wachzustand während der Operation erinnern können. In einer anderen Umfrage in Großbritannien, in der jedoch nicht direkt nach einer solchen Erfahrung gefragt wurde, berichteten immerhin noch einer von 15.000 Patienten spontan von einer solchen Erfahrung. Allerdings erklärte nur einer von 45.000 der Befragten, dass er während der Operation Stress oder gar Schmerzen empfunden habe.


Zusammengenommen, so erläutern die Mediziner abschließend, "belegen diese Statistiken, dass es einen Bewusstseinszustand gibt, in dem die Patienten zwar 'wach' sind, dies aber nicht äußern. Möglicherweise sind sich diese Personen ihrer Umwelt zwar bedingt bewusst, jedoch darüber nicht besorgt - besonders, da sie offenbar auch keine Schmerzen empfinden."


Die Dysanästhesie-Hypothese der Forscher könnte nun dazu beitragen, noch bessere Narkose-Überwachungsmethoden zu entwickeln. Während der Zustand der Dysanästhesie selbst offenbar nicht schädlich sei, könnte es sich aber um eine Art Vorlauf für den frühzeitig einsetzenden, vollständigen Wachzustand handeln, unter dem ein entsprechender Patient dann größte Schmerzen erleiden könnte und den es schließlich zu vermeiden gilt.


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Quelle: annualcongress.org, livescience.com

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