
"Hi-C"-Aufnahmen zeigen Prozesse in der Korona der Sonne. Klicken Sie auf die Bildmitte, um zu einer vergrößerten Darstellung der Aufnahme zu gelangen) | Copyright: NASA
Washington (USA) - Der Flug ins All dauerte gerade einmal zehn Minuten - doch die extrem hochaufgelösten Aufnahmen, die eine Teleskopkamera an Bord der Rakete von der Sonnenkorona gemacht hat, erklären eines der bislang ungelösten Rätsel unseres Zentralgestirns: Wie kommt es, dass die Temperatur der Sonnenatmosphäre mit zunehmenden Abstand von der Sonnenoberfläche immer größer wird?
Die Aufnahmen gelangen NASA-Wissenschaftlern mit dem "High Resolution Coronal Imager" (Hi-C) und zeigen die Sonnenkorona fünfmal detailreicher und schärfer als bisherige Aufnahmen. Tatsächlich ist die sogenannte Korona der Sonne, also ihre vergleichsweise dünne Atmosphäre, heißer als ihre Oberfläche. In der Korona entstehen u.a. auch Sonneneruptionen, die gewaltige Fackeln und Stürme aus geladenen Teilchen ins All und auch in Richtung Erde feuern können.
Während seines gerade einmal 620-sekündigen Fluges am 11. Juli 2012 machte das Raketenteleskop 300 Sekunden lang insgesamt 165 Aufnahmen einer aktiven Sonnenfleckenregion. Einige die Aufnahmen offenbaren dabei die höchst dynamische Struktur der Sonnenatmosphäre in bislang ungekannter Detailgenauigkeit. Kombiniert mit den Aufnahmen des NASA-Weltraum-Sonnenobservatoriums "Solar Dynamics Observatory" (SDO), eröffnen die Bilder den Sonnenforschern ein gänzlich neues Bild der Korona.
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Anhand der Aufnahmen, konnten die Wissenschaftler nun einen der Mechanismen erkennen und beschreiben, durch den Energie regelrecht in die Sonnenkorona hineingepumpt und diese dabei auf Temperaturen von fast vier Millionen Grad Celsius aufgeheizt wird, während die Sonnenoberfläche selbst nur rund 5500 Grad Celsius heiß ist.
Das Geheimnis dieses Vorgangs, so berichten die Forscher um Leon Golub vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und Jonathan Cirtain vom Marshall Space Flight Center der NASA in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Nature", liege in einem komplexen Prozess, der als "magnetische Rekonnexion" bezeichnet wird. "Es war das erste Mal, dass wir diesen Vorgang in genügend hoher Auflösung beobachten konnten", so Golub.
Auf den Bildern sind nun deutlich gewaltige, sich windende und bis zu 150 Kilometer dicke "Magnetzöpfe" zu erkennen. Schließen diese sich kurz, wird genügend Energie freigesetzt, um so die Sonnenkorona entsprechend aufzuheizen. Während Hi-C diesen Vorgang zwar nur für wenige Minuten beobachten konnte und somit auch weitere Aufheitzmechanismen nicht ausgeschlossen werden können, liefert der beobachtete Prozess alleine jedoch schon genügend Energie, um die deutlich heißere Sonnenatmosphäre zu erklären.
In einem nächsten Schritt wollen Sonnenforscher nun ein ähnliches Observatorium auf einem ständig um die Erde kreisenden Satelliten platzieren, um damit die Prozesse auch langfristig studieren zu können. Da das UV-Licht der Sonnenkorona weitgehend von Erdatmosphäre geschluckt wird, muss ein entsprechendes Koronateleskop außerhalb der Atmosphäre stationiert werden. "In nur fünf Minuten haben wir derart viel über die Sonne hinzugelernt. Kaum vorstellbar, was wir lernen könnten, wenn uns ein ständiges Teleskop solche Beobachtungen rund um die Uhr ermöglichen würde" schwärmt Golub abschließend.
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Quellen: NASA, cfa.harvard.edu