
Symmetrieanalyse des LB1-Schädels (l.) mit gespiegelter rechter (u.l.) und linker (u.r.) Gesichtshälfte. | Copyright: A, E. Indriati; Image B and C; D.W. Frayer
University Park (USA) - Im Oktober machten Archäologen in einer Höhle auf der indonesischem Insel Flores einen Fund, der zunächst als "wichtigste anthropologische Entdeckung der vergangenen 100 Jahre" gefeiert wurde, stellte sie doch fossile Beweise für eine bislang unbekannte, kleinwüchsige Menschenart auf Flores dar. Auch aus grenzwissenschaftlicher bzw. kryptozoologischer Sicht war und ist der Fund von Bedeutung, könnte er doch noch heute existierenden Legenden und Augenzeugenberichte um den "kleinen Waldmenschen" auf Sumatra, den sogenannten Orang Pendek, auch auf eine fossile Grundlage stellen. Jetzt haben US-Forscher den Knochenfund erneut analysiert und zweifeln daran, dass es sich bei den sogenannten "Hobbits" (Homo floresiensis) tatsächlich um eine eigene Menschenart handelt. Stattdessen vermuten sie, dass die Knochen von einem normalen Menschen mit Down-Syndrom stammen.
Wie das Team um den Entwicklungsgenetiker Professor Robert B. Eckhardt von der Penn State University, den Anatomie- und Pathologieprofessor Maciej Henneberg von der University of Adelaide und den Geologen Kenneth Hsü aktuell im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1407382111 und 10.1073/pnas.1407385111) berichten, sehen sie anhand des Schädelfundes in der Liang-Bua-Höhle mit der Bezeichnung "LB1", physiologische Hinweise auf einen abnorm entwickelten Menschen, die hauptsächlich auf das Down-Syndrom hinweisen.
Die ersten Beschreibungen des Homo floresiensis konzentrierten sich auf ungewöhnlich anatomische Merkmale, wie etwa das auffallend geringe Hirnvolumen von gerade einmal 380 Millilitern (was etwa dem Drittel dessen eines durchschnittlichen modernen Menschen entspräche) sowie die ebenfalls gefundenen kurzen Oberschenkelknochen anhand derer die Größe der auch als "Hobbits" bezeichneten Menschen auf etwa einen Meter berechnet wurde. Obwohl LB1 erst vor 15.000 Jahren lebte, wurden seine Knochenfunde mit denen früherer Homininen, darunter mit den des Homo erectus und des Australopithecus verglichen. Andere Merkmale wurden hingegen als neu und einzigartig beschrieben, was auf eine neue, bislang unbekannte Menschenart hindeutete.
Die nun vorgelegte klinische Studie, legt jedoch eine andere Deutung all dieser Merkmale nahe. So seien die ursprünglichen Werte zu Hirnvolumen und Statur unterschätzt worden. Das Hirnvolumen von LB1 liegt demnach bei 430 Millilitern "und dieser Unterschied (zu 380 ml) ist wichtig, da diese Werte nun durchaus in den Bereich der Vorhersagen für das Hirnvolumen eines modernen Menschen mit dem Down-Syndrom in dieser geographischen Region fallen", so Eckhardt.
Die ursprüngliche Größenschätzung basierte auf eine Extrapolation der Maße der kurzen Oberschenkelknochen anhand einer Formel, die für eine Population afrikanischer Pygmäen abgeleitet wurde. "Obwohl alle diese Merkmale durchaus ungewöhnlich sind, macht dieser Umstand diese werte noch nicht einzigartig", so der Forscher. "Die ursprünglich beschriebenen Eigenschaften sind nicht ganz so selten um anhand ihrer eine neue Menschenart abzuleiten."
"Als wir diese Knochen zum ersten Mal sahen, haben einige von uns sofort eine Entwicklungsstörung erkannt", so Eckhardt weiter. "Aber wir haben diese noch nicht spezifisch diagnostiziert, da es sich vornehmlich um Knochenfragmente handelt. Über die Jahre hinweg, kamen dann aber mehr und mehr Beweise und Indizien zusammen, die auf das Down-Syndrom verweisen.
Den ersten Hinweis auf das Down-Syndrom sehen die Autoren der aktuellen Studie in der kraniofazialen Asymmetrie des Schädels. Hierbei handelt es sich um eine starke Abweichung der beiden Gesichtshälften voneinander, wie sie auch das Down-Syndrom und andere Störungen hinweist (s.Abb.o.). Schon 2006 hatten Eckhardt und Kollegen diesen Umstand erkannt, ihn jedoch zunächst auf den Umstand zurückgeführt, dass der Schädel lange Zeit vergraben war.
Eine Messung des Schädelumfangs unmittelbar oberhalb der Ohren zeigte im Abgleich mit klinischen Daten von Patienten mit Entwicklungsstörungen, dass das Hirnvolumen innerhalb der zu erwartenden Werte von australomelanesischen Menschen mit Down-Syndrom liegen.
Auch die kurzen Oberschenkelknochen scheinen nicht nur diese Diagnose zu bestätigen sondern legen im Kontext eines modernen Menschen eine Körpergröße von 1,26 Metern nahe. Diese Körpergröße wird selbst heute noch von einigen ausgewachsenen Bewohnern auf Flores und den umgebenden Regionen erreicht.
Zudem verweisen die Autoren auf den Umstand, dass diese Merkmale nur an den Knochen von LB1 und nicht an den anderen Skelettfunden aus der Liang-Bua-Höhle gefunden wurden. Auch das deute auf eine Abnormalität dieses Individuums und nicht der ganzen Gruppe hin.
Damit wiedersprict die aktuelle Studie den Schlussfolgerungen früherer Analysen, die sich vornehmlich dafür aussprachen, dass es sich bei den "Hobbits" auf Flores um eine eigene Menschenart handelt (...wir berichteten, s. Links). Die Diskussion in dieser Frage dürfte aber auch angesichts der aktuellen publikation nicht abgeschlossen sein...
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Homo floresiensis: Weiterer Beleg für "Hobbits" als eigene Menschenart 11. Juli 2013
Neue Beweise: Hobbits waren eigene Menschenart 23. Januar 2013
Sumatras kleiner Yeti: Erste Ergebnisse der Analysen möglicher Orang-Pendek Haare von 2011 17. Juli 2012
Weitere Informationen zu den Ergebnissen der Orang-Pendek-Expedtion
12. Oktober 2011
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26. September 2011
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Quelle: psu.edu